Von 1973 bis 1999 unterrichtete Maria Porten Deutsch und Musik an der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene (KME).
Die Schule war 1973 noch im Aufbau. In dieser Pioniersituation konnten künstlerische Gemeinschaftserlebnisse wie Musik-und Theater-Aufführungen erst allmählich und mit grossem persönlichem Aufwand an Freizeit und mit dem Einsatz von eigenen finanziellen Mitteln realisiert werden. Auch war der Weg zu den Studierenden oft nicht leicht, da diese aus Bevölkerungsschichten kamen, in denen ein Zugang zu Musik und Theater nicht gegeben war und die daher keine oder nur geringe musikalische Vorbildung besassen. Bei einigen stand auch nicht sehr viel Zeit für die Proben zur Verfügung, weil sie neben den wissenschaftlichen Fächern in der Schule zeitweise noch beruflich tätig waren.Trotz dieser Schwierigkeiten war die Neugier auf die ihnen noch unbekannten Kunstwelten leichter zu wecken als bei verwöhnten Bürgerkindern, und mit der Zeit liessen sie sich zu erstaunlichem Engagement für künstlerische Aktivitäten verführen.
Maria Porten stieg mit „zündender Begeisterung“ (Nicolas Zbinden) ins Konzertieren ein: sie gründete Chöre, Instrumentalensembles, Theatergruppen.
Dabei zeigte sich von Anfang an eine deutliche Tendenz:
„Wir sind neugierig an der KME. Wir interessieren uns für die innovativen Experimentierer, die Hintergrundfiguren, die der Geschichte die Tiefendimension geben.“
Bei den vielen musikalischen Programmen gab es immer anspruchsvollere Projekte. Hier einige besonders wichtige, bei denen Maria Porten
Idee, Organisation und musikalische Leitung oblagen.
Auf Konzerte ohne Inszenierung (z.B. Maturitätsfeiern) folgten die Madrigalkommödien. 1976 gab es eine Aufführung von La pazzia senile und Festino von Adriano Banchieri (Regie Jeannot Hunziker). Zum Teil mit selbst hergestellten Masken. Man ging für Aufführungen auch auf die Strasse und spielte im Rosenhof Zürich.
1977 spielte eine Gruppe die englische Masque Cupid and Death von Locke und Gibbons, die mit Marionetten aufgeführt wurde, welche die Studierenden unter der Leitung ihres handwerklich genialen und theatererfahrenen Mitstudenten Walter Studer kreiert hatten. Marionettenbühne: René Peter, Schreiner , Studierender der KME.
1979 folgte als zweites Werk mit Marionetten Gilgamesch. Diesmal hatte Walter Studer die Marionetten nicht nur entworfen, sondern auch selber ausgeführt. Die Musik zu diesem babylonischen Stoff schrieb Anneliese Ritzmann. Regie führte Greta Wolfer. Der geistige Vater des Gilgamesch Projektes war Nicolas Zbinden (Geschichtslehrer, Anthroposoph und Maler). Klavier Alexander Schiwow, Pianist und Studierender an der KME.
Zu drei weiteren grossen Aufführungen gab die Geschichte den Anstoss. Die Beschäftigung mit dem mutigen jüdischen Komponisten Kurt Weill, der viele Texte von Bertold Brecht vertonte, legte die Erarbeitung von Weills Folk-Opera Down in the Valley nahe. Bühnenbildner und kreativer Berater war Peter Pfister (Kunstlehrer, Filmer, gestaltender Künstler).
Dass dann 1986 Lost in the Stars zur Aufführung ausgewählt wurde, weckte Erstaunen, denn das Werk galt als missglückt. Maria Porten schrieb dazu: „Die berühmten Werke von Weill kennt jeder. Sollten wir mit einer weiteren Dreigroschenoper nachdoppeln?“
In Lost in the Stars, zwei Jahre vor seinem Tod geschrieben, lernt man einen anderen Weill kennen. Er macht auf den Rassenhass in Südafrika aufmerksam. Dabei musste seine sonst so wunderbar treffende Ironie schweigen. Herzblut liess er fliessen – was jeder in der Kunst als Kitsch zu bezeichnen pflegt. Ein berühmter Komponist sagte nach der KME Aufführung: „Ihr habt – dank Weill – etwas Wesentliches begriffen, die Einsicht, dass es neben Kunstfertigkeit noch ganz direktes Betroffensein gibt.“
Regie führte Jeannot Hunziker. Mitdirigent war Alois Wilhelm, Jazz Spezialist, professioneller Trompeter und Maturand an der KME. Nach der Premiere in der Aula Rämibühl, die als Abschied für den geschätzten ersten Rektor Philipp Haerle gespielt wurde, gab es weitere Aufführungen, z.b. im Fraumünster Zürich, deren Erlös dem Kinderdorf in Trogen zugute kam.
Das dritte Werk von Kurt Weill, das in der KME aufgeführt wurde (1989), war eins seiner berühmtesten und für KME – Möglichkeiten anspruchsvollsten:
Die sieben Todsünden der Kleinbürger
Für die Bedürfnisse von Laien wurde die Partitur von Esther Roth eingerichtet.
Einer der Reichtümer der KME waren die an der Musik interessierten Frauen. Gab es auch Komponistinnen unter ihnen? Ein heisses Thema: Frauen, die komponieren? Das gibt es nicht! So hatte man es während des Studiums zu hören bekommen. Zufällig stiess Maria Porten auf eine der ersten vollständig erhaltenen Opern der Musikgeschichte. Sie ist 1625 von einer Frau geschrieben worden, von Francesca Caccini:
La liberazione di Ruggiero dall`isola d`Alcina. Die Aufführung (Regie Sirkka Varonen), eine Schweizerische Erstaufführung, fand 1988 im Zürcher Volkshaus statt. Die Chorkostüme hatten die Mitwirkenden unter der Leitung von Ruth Keller (Kostümbildnerin im Theater am Neumarkt) selber genäht. Das Engagement der Studierenden war begeisternd, und es gab ein weites Echo. Professionelle Organisationen baten um Auskünfte und das Notenmaterial.
Auch die Studierenden der KME wollten mehr über komponierende Frauen wissen, und so ging Maria Porten, unterstützt von Peter Pfister, auf die Suche nach Informationen zum Thema Komponistinnen und veranstaltete für sich und die Zuhörer einen Freifach-Kurs: Frau und Musik.
Bei einem Bildungsurlaub in Madrid begegnete Maria Porten der Zarzuela. Zurück in der Schweiz legte sie das Entdeckte vor: La Revoltosa, eine Zarzuela von Ruperto Chapi. Es war ein Wagnis, diese ‚Dureputzete‘ mit Tempo und guter Laune, diese nie durchhängende spanische Beschwingtheit mit Schweizer Laienmusikern realisieren zu wollen. Aber mit Hilfe von Vera Schlosser (grosse alte Dame der Zürcher Oper), Sirkka Varonen (Regie), Thomas Gehrig (Lateinlehrer und Germanist, hier Übersetzer und stilistischer Berater), Heidi Gelpke (Geschichtslehrerin und Flötistin) und vielen anderen haben die Mitwirkenden es geschafft. „Ich glaube“, schrieb Maria Porten, „dass wir durch die intensive Beschäftigung mit der Revoltosa den Spaniern näher gekommen sind.“
Als man den Ausländern in der Schweiz die Stipendien strich, gründete die KME einen eigenen Stipendienfonds. Die Musik war gefordert und versuchte durch Konzerte, Auswärtige auf die Situation aufmerksam zu machen und Spenden einzuspielen. 1991 entstanden die Konzerte einerseits – anderseits, die von professionellen MusikerInnen gestaltet wurden und spannende Programme boten, in denen sie demonstrierten, wie man in der Musik Grenzen überschreitet.
Auch andere Notsituationen brachten Musik zum Klingen: Mit Kisimiri Konzerten wurde für den Bau eines Schulhauses in Tansania gesammelt. Ein Bosnier bat um Unterstützung für das Kinderspital in Zagreb.
Mit der ganz neuen Musik tat man sich schwer an der KME. Zwar hatte es 1978 einmal eine Bühnen- Umsetzung von Brecht- Hindemiths Badener Lehrstück vom Einverständnis gegeben, 1985 wurde die Misa Criolla von Ariel Ramires mit grossem Engagement und mit Hilfe eines südamerikanischen Perkussionisten in einer Arbeitswoche einstudiert und 1988 folgte Los Libertadores aus Canto General von Mikis Theaodorakis und Pablo Neruda – das kam alles gut an; aber nur die ganz Ausgeflippten meldeten sich für eine Umsetzung der Glossolalie von Dieter Schnebel, für die Maria Porten Werner Bärtschi in einem Extrakurs hatte gewinnen können.
Von anfangs 20 Interessierten gab es am Schluss nur noch 4: neben Maria Porten und Werner Bärtschi noch einen Studierenden der KME und einen Auswärtigen. Da war etwas zu viel verlangt worden! Schnebel selbst war angetan von unserer Umsetzung.
Die Begegnung mit Neuem vollzog sich später vor allem bei den Mittagskonzerten. Wichtig ist allerdings zu bemerken, dass bei den Konzerten nicht nur zugehört wurde, sondern dass die Künstler sich den Fragen des Publikums stellten und von sich aus Kommentare zu ihrem Programm abgaben. Das galt auch für die Begegnung mit alternativen Musikstilen. Esther Roth, eine Komponistin, unterrichtete eine Zeitlang als Musiklehrerin an der KME und zum Glück gab es auch Alois Wilhelm, der einen Swing Chor gründete und der KME noch nach seiner Matur eine Zeit lang treu blieb.
1996/97 übergab Maria Porten den Musikunterricht ihren jungen Kolleginnen und Kollegen der Fachschaft Musik und unterrichtete nur noch Deutsch.
1999 verliess sie die KME, um sich ganz der Komposition widmen zu können. Rektor Heinrich Strebel sagt in seiner Verdankung:
„Ihr Musikunterricht stellte hohe Ansprüche an die Studierenden, und sie wuchsen an diesen Ansprüchen, erkannten ihre schlummernden Fähigkeiten und richteten bisweilen ihre Lebenspläne neu aus. An einer Erwachsenenschule, wo doch alle so auf Effizienz und Nutzen ausgerichtet sind, hat Maria Porten eine Plattform geschaffen, die als Ort der Kraft in den Alltag gewirkt hat. Sie ist eine innovative Schöpferin und eine hartnäckige Schafferin, die im Kunstleben innerhalb und ausserhalb der KME Impulse gesetzt hat.“